Lkw-Maut: Überzogene Bearbeitungsgebühren – Camion Pro e. V. scheitert vorerst mit Klage gegen Toll Collect

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Der Berufsverband Camion Pro e. V. hat vor dem Amtsgericht Berlin gegen Toll Collect wegen überhöhter Bearbeitungsgebühren geklagt. Die Klage, wurde jedoch Ende November 2024 abgewiesen. Die Urteilsbegründung lässt nun Fragen hinsichtlich der richterlichen Objektivität und Verfahrensführung des Berliner Richters aufkommen.

Hintergrund des Rechtsstreits war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 28. Oktober 2020, das feststellte, dass die Lkw-Maut über Jahre hinweg unter Verstoß gegen europäisches Recht durch Toll Collect fehlerhaft berechnet wurde. Betroffene Unternehmen, unterstützt von Camion Pro, fordern die Rückerstattung der zu Unrecht erhobenen Mautgebühren von Toll Collect.

„Beschäftigungstherapie“ statt Kostenerstattung.

Um diese Forderungen nachzuweisen, mussten Transportunternehmen Mautbelege vorlegen – dies ist als solches schon eine bemerkenswerte Forderung, denn Toll Collect verfügt selbst über die einschlägigen Informationen und Unterlagen und hat die Mautbelege selbst erstellt.

 Gebühren um den Faktor zehn zu hoch

Viele Unternehmen benötigen für die Erstattung aber eine sogenannte „Zweitausfertigung“ von Toll Collect. Für jede dieser Ausfertigungen verlangte das Unternehmen fünf Euro, eine Summe, die um den Faktor zehn gegenüber üblichen Gebühren überteuert ist und für Unternehmen rasch in die Hunderte Euro gehen kann.

Umgekehrt ist der Aufwand auf Seiten von Toll Collect für die Bereitstellung der Daten gering: Mit wenigen Klicks können die Zweitausfertigungen zusammengestellt und per E-Mail an die Kunden übersendet werden.

Nicht wenige Mitglieder beschwerten sich darüber bei Camion Pro e.V.. Besonders verärgert waren die Branchenteilnehmer, dass das Toll Colleckt überhaupt Bearbeitungsgebühren verlangte, obwohl das Unternehmen selbst durch seine rechtswidrige Berechnung den Schaden verursacht hatte.

Camion Pro klagte für Mitglieder

Camion Pro entschied, die Sache gerichtlich klären zu lassen, und hat am 3. April 2024 Klage am Amtsgericht Berlin erhoben. Das Gericht sollte klären, ob die von Toll Collect im Rahmen der Bereitstellung von Zweitausfertigungen der Mautbelege abgerechneten Gebühren in Höhe von fünf Euro pro Mautaufstellung rechtens sind.

Camion Pro argumentierte vor Gericht, dass dies nicht der Fall sei, und zwar weil insbesondere: - Toll Collect nur gegen Transportunternehmern, nicht aber gegenüber Privatpersonen Bearbeitungsgebühren für die Bereitstellung von Zweitausfertigungen verlangt, was bereits zeigt, dass es sich insofern schlicht um eine unentgeltlich geschuldete vertragliche Nebenleistung handelt.

Zudem sind nach geltenden allgemeinen Grundsätzen des Gebührenrechts elektronische Kopien von Unterlagen stets kostenfrei und selbst Papierkopien können nur mit maximal fünfzig Cent pro Seite erstattet werden. Toll Collect verlangt indes das Zehnfache.

Die Kostenregelungen in den AGBs von Toll Collect sehen das zwar so vor, benachteiligen die Transportunternehmen aber unangemessen und sind damit unwirksam. Nach Ansicht von Camion Pro sind die von Toll Collect verlangten Auslagen letztlich wucherisch (zehnfach überhöht) und damit rechtswidrig.

Trotz dieser Argumente kam das Amtsgericht Berlin mit seinem Urteil vom 21. November 2024 zu einem anderen Schluss. Was daran die Anwälte und Verbandsvorstand Andreas Mossyrsch besonders irritierte.

Gesinnungsurteil statt Grundsatzentscheidung?

In der gerade einmal zwei Seiten umfassenden Urteilsbegründung setzte sich das Amtsgericht Berlin gar nicht mit der Argumentation von Camion Pro auseinander. Tatsächlich hat das Amtsgericht Berlin überhaupt keine eingehende rechtliche Beurteilung vorgenommen, sondern, aus Sicht der Camion-Pro-Anwälte und Vorstands, ein reines Gesinnungsurteil gefällt: Das Gericht kam dabei zum Schluss, dass „die Kosten für die Zweitausfertigungen im Vergleich zur Größe des Transportunternehmens, das diese Kosten aufzuwenden habe, schlicht nicht bedeutsam“ seien. Darüber hinaus stützte das Amtsgericht Berlin sein Urteil auch teilweise auf eigene Annahmen und Unterstellungen, die weder von Camion Pro noch Toll Collect so vorgetragen wurden. Besonders irritierend: dass das Amtsgericht Berlin trotz des ausdrücklichen Antrags von Camion Pro die Berufung zum Landgericht Berlin nicht zugelassen hat, obwohl der Fall grundsätzliche wirtschaftliche und politische Bedeutung hat. Schließlich klagt ein Berufsverband gegen eine staatliche Einrichtung mit zentraler Bedeutung für eine ganze Branche.

Andreas Mossyrsch ärgert sich: „Nachdem wir einen relativ geringen Streitwert von 65, – € hatten, waren wir auf die Klage am Amtsgericht angewiesen. „Das wir hier nicht unbedingt mit hohem richterlichem Einsatz und einer dogmatisch tiefgehenden und rechtspolitisch fein austarierten Entscheidung rechnen dürfen, war uns klar. Dass ein Amtsrichter sich jedoch in einem Fall wie dem vorliegenden anmaßt, abschließend Recht zu sprechen und eine Überprüfung seiner Rechtsauffassung durch ein höheres Gericht blockiert, ist ärgerlich.“

Aus Sicht von Camion Pro hat das Amtsgericht Berlin, anstatt Recht zu sprechen, damit letztlich Zweifel am Funktionieren des Rechtsschutzsystems in Deutschland gesät.

Zweite Klage soll Klarheit bringen

Trotz der Niederlage erwägt Camion Pro, einen zweiten Anlauf zu starten. Der Verband kündigte an, weiterhin nach Möglichkeiten zu suchen, um gegen die hohen Bearbeitungsgebühren vorzugehen und die Interessen der Transportunternehmen zu vertreten. Camion Pro lädt Transportunternehmer, die als Musterkläger in einem erneuten Verfahren auftreten möchten, dazu ein, sich unter der angegebenen Kontaktadresse zu melden. Der Verband trägt die Kosten und das Kostenrisiko für den Rechtsstreit, um die Anliegen der Branche weiter zu verfolgen und ein gerechtes Urteil zu erwirken.

Das entsprechende Urteil steht zum Download bereit:  hier klicken zum herunterladen

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