Berlin (dts) – Die Grünen erheben schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung in Sachen Mautbetrug durch Lkw. Das berichtet der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe. Einer Studie der Universität Heidelberg zufolge weisen rund 20 Prozent der osteuropäischen Lkw auffällige Stickoxidwerte auf.
Wegen der seit Kurzem geltenden Maut für Lkw legen sich russische Fernfahrer mit der Staatsmacht an und drohen das Land lahmzulegen. Die Folge: erste Festnahmen von protestierenden Fernfahrern. Der deutsche Branchenverband Camion Pro fordert die sofortige Freilassung der Aktivisten und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien.
Am 19. Juli 2016 hat die EU-Kommission das Kartellermittlungsverfahren gegen die Hersteller von LKWs abgeschlossen und Rekordbußgelder in Höhe von insgesamt knapp 3 Milliarden Euro verhängt. Die betroffenen Unternehmen – MAN, Mercedes, Volvo, DAF, Renault, IVECO (und auch SCANIA) – haben zwischen 1997 und 2011 den gesamten europäischen LKW-Markt kartelliert und insbesondere Preislisten, Kosten und Technologieeinführungen untereinander mit dem Ziel abgesprochen, die Abnehmer von LKWs massiv zu übervorteilen.
MAN hatte das Verfahren seinerzeit als Kronzeuge angestoßen, was zwingend eine entsprechende Selbstanzeige mit Schuldanerkenntnis voraussetzt. Als Kronzeuge ist MAN bußgeldfrei ausgegangen, was indes nichts daran ändert, dass MAN nach wie vor vollumfänglich und gesamtschuldnerisch zivilrechtlich gegenüber den geschädigten Kunden für den angerichteten Schaden haftet.
Käufer und Leasingnehmer von LKW-Zugmaschinen wurden durch das LKW-Kartell absehbar empfindlich geschädigt. Empirische Studien belegen, dass Kartellschäden regelmäßig in der Größenordnung von 15-25% des Einkaufspreises liegen, und einzelfallabhängig auch noch weit darüber hinausgehen können. Bei einem Einzelpreis von 80.000 Euro pro Zugmaschine läge der rechnerische Schaden pro erworbener LKW-Zugmaschine damit bei wenigstens 12.000-20.000 Euro. Hinzu kommen Zinsen ab Schadenseintritt. Inwieweit das Kartell darüber hinaus auch noch zu (ersatzfähigen) höheren Steuern und Mautabgaben bei den Geschädigten geführt hat, ist noch offen.
Aufgrund illegaler Preisabsprachen der europäischen Lkw-Hersteller steht vielen Transportunternehmen Schadenersatz wegen überhöhter Kaufpreise zu. Camion Pro wird noch im März die betroffenen Hersteller mit einer Schadenersatzsumme von 2,5 Millionen Euro konfrontieren.
Dem deutschen Zoll obliegen die Überwachung des Mindestlohns und die Bekämpfung der Schwarzarbeit in Deutschland. Wie nun durch eine Presseanfrage des Berufsverbandes Camion Pro bekannt wurde, liegen offenbar in beiden Bereichen der behördlichen Arbeit schwerste Defizite vor. So hat der Zoll im gesamten Jahr 2015 in der Transport- und Logistikbranche gerade mal 19 Bußgeld- und Strafverfahren abgeschlossen: Ordnungsgelder wurden in Höhe von 15,625 € verhängt. Angesicht dieser ernüchternden Zahlen kann wohl nur festgestellt werden, dass der Deutsche Zoll weder bei der Kontrolle des Mindestlohns noch bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit in der Transportbranche eine relevante Rolle spielt.