Fast richtiger Journalismus oder "Persilschein" für das BAG?
Sehr geehrte Camion-Pro-Mitglieder und Interessierte,
Kürzlich ist auf der Online-Plattform eurotransport.de des Stuttgarter ETM Verlags ein Bericht über die angebliche Leistungsfähigkeit des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) bei LKW-Kontrollen erschienen, den ich nicht unkommentiert stehen lassen möchte.
Unter der Überschrift „So sucht das BAG nach Adblue-Emulatoren“ berichtet Bergrath über Kontrollen des BAG, die er offenbar selbst begleitet hat. Glaubt man den Recherchen des Fachjournalisten, ist das BAG offenbar bestens für die Bekämpfung der LKW-Abgasmanipulationen gerüstet und rückt mit verblüffenden technischen Möglichkeiten den Übeltätern zu Leibe.
Dieser Bericht wirft aus meiner Sicht gleichermaßen Fragen über die Objektivität des Stuttgarter Verlages wie auch über die Glaubwürdigkeit des Bundesamtes für Güterverkehr auf. Der Autor Jan Bergrath hat darin – aus meiner Sicht entgegen jeglicher journalistischen Sorgfaltspflicht – einseitig die Sichtweise des BAG dargestellt. Weder gibt es darin eine Stellungnahme von Herstellern der in dem Bericht als für die Emulatorensuche geeignet oder nicht geeignet beschriebenen Geräte, noch hat der Autor mit anderen Sachkundigen gesprochen oder deren Sichtweise in geeigneter Weise dargestellt.
Zur Erinnerung: Noch im November 2018 hatten Dr. Denis Pöhler (Uni Heidelberg) und ich, bei einer Expertenanhörung, im Deutschen Bundestag, dem Bundesamt für Güterverkehr schwere Vorwürfe bezüglich seiner AdBlue-Kontrollen gemacht. Neben einigen anderen Vorwürfen ging es konkret darum, dass aus unserer Sicht das BAG mit mangelhafter Ausrüstung LKW-AdBlue-Kontrollen durchführt und irreführende Zahlen veröffentlicht.
Nur wenige Wochen später berichtet der Autor (Zitat):
"Geräte anderer Hersteller, speziell für die Emulatorsuche entwickelt, haben sich in Tests des BAG als noch nicht ausgereift erwiesen, weil sie beispielsweise nicht die Daten aus Lkw einzelner Marken auslesen können. Das Diagnosegerät von Actia soll das aber können und wird dazu einfach mit der OBD-Schnittstelle zur Fahrzeugelektronik verbunden. Die Bedienung erscheint leicht. Multi-Dia führt die Beamten gezielt durch die Menüpunkte. Nach wenigen Schritten meldet die Software bereits, dass im Lkw ein Emulator verbaut sein muss."
Meine Recherchen ergeben jedoch ein ganz anderes Bild und lassen Zweifel an der Seriosität des Autors, des Verlages sowie des BAG aufkommen.
Insider, die nicht genannt werden wollen, haben mir berichtet, dass sie weder etwas von „Test“ noch von „Geräten die dem BAG Emulatoren melden“ wissen. Ich möchte die Aussagen hier nicht wörtlich widergeben, um meine Informanten zu schützen, und weil Jan Bergrat erst kürzlich mit einer einstweiligen Verfügung gegen meinen Verband vorgegangen ist. Ob die Angaben meiner Informanten vollständig korrekt sind, kann ich natürlich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Wenn ja, dann handelt es sich meiner Einschätzung nach bei dem Bericht des ETM Verlags um eine dreiste Täuschung der Öffentlichkeit.
Nach Erscheinen des Berichts habe ich weitere Recherchen angestellt, die Folgendes ergaben: Bei dem in dem Bericht gelobten und für die Emulatorensuche angeblich bestens geeigneten Gerät „Multi-Dia der Firma Actia handelt es sich um ein gewöhnliches Werkstattdiagnosegerät, das nicht für die Emulatorensuche entwickelt wurde. Unser Verband hatte bereits 2018 eine Studie für eine ausländische Regierung durgeführt, wonach eben diese Geräte bestenfalls einige alte Emulatoren für Euro 5 aber kaum für Euro 6 Fahrzeugen finden können.
Noch dubioser wird es beim "Emulatoren-Scanner", den das BAG getestet haben will und der sich im Test angeblich nicht bewährt hat. Nach meiner Kenntnis gibt es nur ein einziges Gerät, das, wie im Bericht beschrieben, "speziell für die Emulatorensuche entwickelt wurde". Das Gerät heißt AdBlue-Manipulations-Decoder und stammt aus der Entwicklung von AVL. Ich habe schon seit Anfang 2018 Kontakt zur Firma AVL und war Gast bei der offiziellen Vorstellung im Herbst 2018 auf der Automechanika. Seitdem fordert unser Verband, Camion Pro, dass sich unsere Behörden mit dem Manipulations-Decoder befassen sollten. Was hat das BAG also getestet?
Leider wollten die Unternehmen Aktia und AVL den Bericht des ETM Verlags nicht kommentieren und keine meiner Fragen beantworten. Dafür habe ich auch ein gewisses Verständnis. Welches Unternehmen fällt schon seinen potentiellen Kunden in den Rücken? Noch dazu, wenn es sich um eine Bundesbehörde handelt.
Auch das BAG habe ich um Auskunft gebeten, ob es die Inhalte des ETM Berichts bestätigen kann, ob es zutrifft, dass das Multi-Dia ein normales Diagnosegerät ist, und ob der AdBlue-Decoder tatsächlich getestet wurde. Die Antwort des BAG war ernüchternd: "Für die Prüfung der Funktion der Abgasreinigungsanlage setzt das Bundesamt vielfältige technische Hilfsmittel ein."
Eine klarere Stellungnahme als diese war vom BAG auch nach mehrfacher Nachfrage nicht zu erhalten.
Die letzte Anfrage habe ich dann an den ETM Verlag, dessen Journalist Jan Bergrath den Bericht verfasst hatte, gestellt. Ich wollte wissen, wie der Verlag diese Widersprüche erklärt und ob bzw. warum man bei den Recherchen offenbar auf Rückfragen bei Herstellern und anderen Sachkundigen verzichtet hat. Ergebnis: Der Verlag hat auf meine Anfrage nicht reagiert.
Der Autor Jan Bergrath ist schon in der Vergangenheit mit ähnlich unseriöser Berichterstattung aufgefallen, in denen er das Ausmaß der AdBlue-Manipulationen herunterzuspielen versucht. Für mich stellt sich die Frage: Warum lässt ein Verlag bei so einem sensiblen Thema ausgerechnet einen Journalisten ran, der ganz offensichtlich weder qualifiziert noch objektiv ist? Warum wird ein Bericht veröffentlicht, der ganz offensichtlich gegen journalistische Grundregeln verstößt? Ich habe den Eindruck, dass es bei diesem Bericht darum ging, einer Bundesbehörde einen "Persilschein" auszustellen und die seriöse Arbeit zum Thema AdBlue-Manipulation ein weiteres Mal zu torpedieren.
Der Berufsverband Camion Pro setzt sich seit Jahren für Chancengleichheit, gegen Lohndumping und gegen Betrug im europäischen Transportgewerbe ein. Erst durch unsere Recherchen ist das Thema AdBlue-Manipulation überhaupt bekannt geworden. Wir bleiben auch diesmal weiter dran, um das gesamte Ausmaß dieses Betrugs öffentlich zu machen und um die Politik und Behörden dazu zu bewegen, endlich wirksame Maßnahmen gegen den AdBlue-Betrug zu ergreifen.
Ihr
Andreas Mossyrsch
Vorstand Camion Pro